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Vermarktung

Flexibilitätsvermarktung

Im Strang Flexibilitätsvermarktung sollen im Einklang mit rechtlichen und sozialen Aspekten alle wirtschaftlichen Möglichkeiten geschaffen werden, um die größtmögliche Energieflexibilität der Industrie für das Gelingen der Energiewende nutzbar zu machen.

SynErgie
Aufbau und Fokus vom Strang Flexibilitätsvermarktung in SynErgie III

In den vergangenen Jahren zeigt sich zunehmend deutlicher, dass unser aktuelles Strommarktdesign und die derzeit geltende Regulatorik, welche aus einer Zeit mit wenigen konventionellen großen Grundlastkraftwerken stammen, aufgrund der schwankenden Einspeisung Erneuerbarer Energien heute nicht mehr zeitgemäß sind und zu nicht vertretbaren Ineffizienzen führen. Damit wird sowohl der Fortschritt der Energiewende als auch die klimaneutrale Transformation der Industrie stark gefährdet. Diese Ineffizienzen zeigen sich beispielsweise beim Engpassmanagement. So müssen aufgrund der beschränkten Transportkapazitäten im Stromnetz Jahr für Jahr beträchtliche Anteile des aus Erneuerbaren Energieanlagen erzeugten Stroms abgeregelt und im Gegenzug meist alte fossile Kraftwerke hochgefahren werden, was volkswirtschaftliche Kosten in Milliardenhöhe verursacht und zu unnötigen CO2 Emissionen führt. Lösungsansätze zu diesen und weiteren Herausforderungen werden in den vier Teilprojekten Potenzialanalyse, Weiterentwicklung Regulierung, Zukünftiges Strommarktdesign und der strangübergreifenden Weiterentwicklung der Energieflexiblen Modellregion Augsburg erarbeitet.

Kernthemen in SynErgie III

Bei der Analyse industrieller Energieflexibilitätspotenziale lag der bisherige Fokus primär auf einer möglichst umfassenden Erhebung des technischen Flexibilitätspotenzials in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen sowie der Aggregation dieser Potenziale auf ganz Deutschland. Im Rahmen der dritten Projektphase werden die Arbeiten dahingehend zielgerichtet fortgeführt und intensiviert. Im Zentrum der Untersuchungen soll nicht nur das aktuelle und zukünftige Potenzial industrieller Energieflexibilität, Stromerzeugung und -verbrauch auszugleichen, stehen, sondern insbesondere auch die Bestimmung der ökologischen Vorteile energieflexibler Fabriken. Zudem werden mithilfe einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Abschätzung die Potenziale von Lastflexibilisierung in der Industrie unter Berücksichtigung der Rangfolge der Flexibilitätsoptionen approximiert. In enger Zusammenarbeit mit dem Projektstrang der Flexibilitätstechnologieentwicklung erfolgt letztlich die Untersuchung von Möglichkeiten zur internationalen Übertragbarkeit der entwickelten Lösungen und identifizierten Energieflexibilitätspotenziale, um Energieflexibilität nicht nur national im größtmöglichen Umfang zu heben, sondern die gewonnenen Erkenntnisse auch international – mit entsprechenden Chancen für einen deutschen Technologieexport – anzuwenden.

Um die vorhandenen Energieflexibilitätspotenziale der deutschen Industrie wirtschaftlich nutzbar zu machen, müssen die regulatorischen Rahmenbedingungen weiterentwickelt werden. Für energieintensive Unternehmen stellt dabei insbesondere die Berechnung der individuellen Netzentgelte ein zentrales Flexibilitätshemmnis dar. Die aktuelle Regelung birgt die Gefahr, dass Unternehmen bei Leistungsreduktionen einerseits und hohen Lastspitzen andererseits die für eine energieflexible Fahrweise unabdingbar sind, ihren Anspruch auf reduzierte Netzentgelte verlieren und somit eine Verfünf- bis Verzehnfachung der Netzentgelte riskieren. Gleichzeitig kommen Marktsignale durch fixe Preisbestandteile wie Umlagen, Entgelte und Abgaben nicht oder nur in sehr abgeschwächter Form bei Industrieunternehmen mit börsengekoppelten Stromlieferverträgen an, wodurch zu wenig Anreiz zur Bereitstellung von Flexibilität entsteht.

 

Im Fokus der Arbeiten steht daher die Frage, wie die Stromentgeltverordnung (StromNEV) so anzupassen ist, dass Flexibilität nicht länger bestraft, sondern aktiv gefördert wird. Einen möglichen Ansatzpunkt bietet die Dynamisierung der Netzentgelte bzw. die Einführung (zeit-)variabler Tarife. In diesem Zusammenhang soll untersucht werden, auf welcher Grundlage die Berechnung variabler Netzentgelte erfolgen kann (z. B. gekoppelt an Spotmarktpreise oder CO2-Emissionen) und welche Rückkopplungen dadurch in das Markt- und Stromsystem entstehen. Im Rahmen des Teilprojekts wird zudem ein multikriterieller Ansatz zur CO2-adaptiven Steuerung von Energieflexibilitätsmaßnahmen entwickelt, wodurch Unternehmen sowohl ökonomische als auch ökologische Einsparungen in ihre Entscheidungen einbeziehen können. Letztlich sollen die erarbeiteten regulatorischen Änderungsbedarfe zielgruppenspezifisch an Unternehmen(-sverbände), Regulierungsbehörden sowie politischen Entscheidungsträger:innen kommuniziert werden. 

Neben einer zielgerichteten Weiterentwicklung regulatorischer Rahmenbedingungen wie Stromnetzentgelten ist insbesondere auch die grundlegende Gestaltung eines zukunftsfähigen Strommarktdesigns entscheidend, um dringend benötigte Anreize für die Bereitstellung industrieller Energieflexibilität zu schaffen. Im Zuge einer immer volatileren und dezentraleren Stromerzeugung sowie einer Vielzahl von regional verteilten Kleinstverbraucher:innen wie Elektrofahrzeugen oder Wärmepumpen gerät das europäische Strommarktdesign mit seinen großen Preiszonen immer stärker unter Druck. Dies zeigt sich beispielsweise an den stetig steigenden Kosten für Maßnahmen der Netz- und Systemsicherung, welche notwendig sind, um die am Markt gehandelten Strommengen mit den physikalischen Netzrestriktionen in Einklang zu bringen.

 

Lokal differenzierte Preise können als ein wesentliches Merkmal eines zukünftigen Strommarktdesigns dazu beitragen, bei einem stark volatilen Stromangebot den lokal verfügbaren Strom unter Einhaltung von Stromnetzengpässen bestmöglich zu nutzen und auf diese Weise Kosten sowie CO2 Emissionen einzusparen. Vor diesem Hintergrund werden im Projekt zunächst Einflussfaktoren für die erfolgreiche Umsetzung eines lokal differenzierten Strommarktdesigns identifiziert und strukturiert. Die anschließende Ausdetaillierung und Konkretisierung eines zukünftigen Marktdesigns – mit weiterentwickelten Bietsprachen und (skalierbaren) Pricing-Algorithmen – findet in enger Zusammenarbeit mit internationalen Expert:innen aus der Wissenschaft, der Zivilgesellschaft sowie der energiewirtschaftlichen Praxis statt. Im Fokus der Untersuchungen steht zudem die Frage, wie ein zukunftsfähiges deutsches Strommarktdesign – unter Berücksichtigung entsprechender Wechselwirkungen – bestmöglich in das europäische Verbundsystem integriert werden kann. Letztlich soll auf Basis der Arbeiten eine wirtschaftlich und sozial robuste Transition vom aktuellen hin zu einem zukünftigen deutschen und europäischen Strommarktdesign erarbeitet werden.

In der Energieflexiblen Modellregion Augsburg werden die Umsetzung von Demonstrationsvorhaben, die Integration aller relevanten Stakeholder und die systemische Analyse eng miteinander verzahnt. Die Modellregion zeichnet sich durch ihre hohe fluktuierende Stromerzeugung und einen hohen industriellen Stromverbrauch aus und stellt damit eine gute Übertragbarkeit auf andere Regionen Deutschlands sicher. Die bisherigen Arbeiten im Rahmen der Energieflexiblen Modellregion Augsburg haben gezeigt, dass in Bezug auf die industrielle Energieflexibilität in Fabriken ganzheitlich, d. h. unter Berücksichtigung technischer, ökonomischer und personeller Gegebenheiten, gedacht werden muss.

 

Energieflexible Fabriken können jedoch nur dann umgesetzt werden, wenn regionale Aspekte, wie die regionalen Herausforderungen der verantwortlichen Netzbetreiber und Lieferanten sowie gesellschaftliche Fragestellungen berücksichtigt werden. Gleichzeitig ist es wichtig, die an energieflexible Fabriken angrenzenden Aspekte der Sektorenkopplung zu analysieren und noch stärker in die Entwicklung von Lösungen miteinzubeziehen. Im Rahmen der dritten Projektförderphase werden dazu unterschiedliche Wärmebereitstellungstechnologien sowie Abwärmenutzungsmöglichkeiten in Industriequartieren ganzheitlich betrachtet, um zusätzliche Energieflexibilitätspotenziale zu erschließen und weitere CO2-Einsparungen zu realisieren. Ebenso ermöglicht die zukünftig stark zunehmende Elektrifizierung der Mobilität ein weiteres, zu erschließendes Energieflexibilitätspotenzial in Form von Intralogistik und Unternehmensfahrzeugen. Vor diesem Hintergrund ist die Energieflexible Modellregion Augsburg in einer Querschnittsfunktion über alle Stränge hinweg angesiedelt und zielt auf eine intensive Zusammenarbeit der Stränge und Stakeholder mit besonderem Fokus auf eine Fortführung und Intensivierung der Umsetzung und Erprobung entwickelter Lösungen ab. So soll, basierend auf den Engineering- und IT-Arbeiten, die wirtschaftliche Flexibilitätsvermarktung in der Energieflexiblen Modellregion Augsburg bestmöglich in die praktische Anwendung überführt und Transfermöglichkeiten auf weitere Regionen erarbeitet werden.