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Informations- und Kommunikations­technik

Informations- und Kommunikationstechnik

Die Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) bietet die daten- und kommunikationstechnischen Grundlagen für die automatisierte Nutzung und Vermarktung von Energieflexibilität in Produktionsprozessen und Produktionsinfrastruktur als Antwort auf volatile Energieangebote. Durch die entwickelte Energiesynchronisationsplattform, welche eine branchenübergreifende Lösung zum automatisierten und standardisierten Energieflexibilitätshandel darstellt, trägt die IKT zur Synchronisierung der industriellen Energienachfrage mit dem zunehmend fluktuierenden Energieangebot bei.

Fraunhofer IPA und Uni Luxemburg
Aufbau der Energiesynchronisationsplattform zur Automatisierung und Standardisierung des Energieflexibilitätshandels

Dabei müssen insbesondere die technologisch weit auseinanderliegenden Welten von Unternehmen auf der einen Seite und Markt- und Stromanbietersystemen auf der anderen Seite miteinander verbunden werden, wobei beide Seiten sowohl die Rolle des Lieferanten, als auch die des Kunden, einnehmen können. Unternehmen sind Energiekunden, aber auch Lieferanten von Flexibilitätspotenzialen. Akteure in Markt- und Stromsystemen sind u.a. Energielieferanten und Netzbetreiber, können aber auch Kunden für Flexibilitätspotenziale sein. Um die daraus resultierende Komplexität beherrschbar zu machen, ist die Energiesynchronisationsplattform aus aufeinander abgestimmten Unternehmensplattformen und einer Marktplattform zusammensetzt. Somit können Technologien und Methoden, die für jeweils nur eine Seite relevant sind, geschützt bleiben, ohne das Gesamtsystem in seiner Leistungsfähigkeit und Transparenz zu beeinträchtigen.

Die Aufgabe der Energiesynchronisationsplattform (siehe Abbildung zum Aufbau der Energiesynchronisationsplattform) besteht darin, die Möglichkeiten von energieflexiblen Fabriken effizient mit den aktuellen und zukünftigen Anforderungen und Bedarfen des Markt- und Stromsystems zu verknüpfen. Dabei gilt es, neben dem Angebot eines abrufbasierten, nachfrageseitigen Lastausgleichs eine effiziente Beschaffung über unterschiedliche Energiemärkte in einem System mit einem hohen Anteil fluktuierender, erneuerbarer Energieträger zu etablieren. Durch die enge Verbindung zwischen Produktionsunternehmen und Stromsystem wird die Generierung eines volkswirtschaftlichen Mehrwerts angestrebt, der die Herausforderungen der volatilen Einspeisung durch Informations- und Kommunikationstechnik unter ökonomischen Gesichtspunkten handhab- und beherrschbar macht.

Erklärvideo zur Energiesynchronisationsplattform

Software AG
Demonstration der Energiesynchronisationsplattform auf der CeBIT
Fraunhofer IPA
Ziel und Vision der Energiesynchronisationsplattform
Fraunhofer IPA, Uni Luxemburg und Software AG
Die Energieflexibilität mehrerer Öfen wird über einen Aggregator vermarktet (Flex steht für Energieflexibilität)
Fraunhofer IPA
Die Energiesynchronisationsplattform ermöglicht energetische Bewertungen von Produktionsalternativen

Ergebnisse

Ein KI-basierter Optimierungsservice, welcher auf der Unternehmensplattform verortet ist und als Bindeglied zwischen der Unternehmensseite und der Marktseite fungiert, zeigt, wie die energieflexible Betriebsführung von Magnesiumschmelzöfen erfolgen kann. Neben den marktseitigen Anforderungen, wie zum Beispiel der aktuelle Bedarf, den Energiebedarf zu reduzieren oder zu erhöhen, muss der Optimierungsservice auch prozesstechnische Anforderungen des Schmelzofens, wie beispielsweise das Einhalten von Temperaturgrenzen, erfüllen. Bei der Entwicklung des Optimierungsservice sind daher sowohl die prozess- als auch marktseitigen Anforderungen als Randbedingungen berücksichtigt worden.

Um eine energieflexible Betriebsweise der Schmelzöfen zu ermöglichen, wurde eine KI-basierte Regelung mittels Reinforcement Learning entwickelt. Hierbei erlernt ein Agent auf Basis einer Belohnung selbstständig eine Optimierungsstrategie, um den Lastgang des Ofens energieflexibel zu regeln. Entsprechend der erlernten Optimierungsstrategie wählt der Agent zu jedem Zeitpunkt eine auf den Einflussfaktoren bzw. dem derzeitigen Zustand basierende Aktion aus. Da das elektrische Heizelement in einem exemplarischen Szenario die Leistungsstufen 0 kW, 40 kW, 80 kW und 120 kW abrufen kann, stehen dem Agent nur diese vier Aktionen zur Wahl. Die Belohnung basiert auf den beiden Randbedingungen (Flexibilitätsmarkt und Prozessgrenzen) und belohnt den Agenten einerseits dafür, den Lastgang des Ofens so zu regeln, dass die Temperaturgrenzen nicht über- oder unterschritten werden. Diese Logik basiert auf den prozesstechnischen Anforderungen und ist wichtige Grundvoraussetzung für einen energieflexiblen Betrieb bei gleichbleibender Produkt- und Prozessqualität. Andererseits wird der Agent belohnt, wenn die Stromkosten durch eine Flexibilisierung der Nachfrage reduziert und marktdienliche (lokale Flexibilitätsmärkte) Flexibilitätsausprägungen in 15- und 60-Minuten-Blöcken generiert werden. Die Einflussfaktoren, die zu der Wahl einer bestimmten Aktion beitragen, setzen sich somit vereinfacht beschrieben aus der aktuellen Temperatur im Ofen und den Randbedingungen in Form einer Belohnung zusammen. Anhand von Testdurchläufen konnte die Funktionalität des Optimierungsservice nachgewiesen werden, da eine energieflexible Betriebsführung der Magnesiumschmelzöfen durch den Einsatz des Service möglich ist. Die energieflexible Betriebsweise zeigt sich daran, dass der Lastgang im Vergleich zum Normalbetrieb von hysteresegeregelten Anlagen erfolgreich auf Basis der Strompreise geregelt wird.

Die hier aufgezeigte und im Rahmen des SynErgie-Projekts entwickelte Regelungsstrategie zur energieflexiblen Betriebsführung von Produktionsanlagen bietet ein großes Potenzial, um auf andere Anlagen bzw. Branchen übertragen zu werden und den Energieverbrauch vieler Unternehmen zu flexibilisieren.

Das Energieflexibilitätsdatenmodell stellt die Grundlage für die Kommunikation von Flexibilitäten zwischen Unternehmen und Energiemärkten dar. Es bildet durch seine standardisierte Form den zentralen Dreh- und Angelpunkt der Energiesynchronisationsplattform (siehe Abbildung). Aufgebaut ist das Energieflexibiliätsdatenmodell aus diversen Kennzahlen, um den Lastgang bzw. die Flexibilität energieflexibler Produktionsanlagen zu beschreiben.

Ein Energieflexibilitätsdatenmodell (kurz EFDM) beschreibt generisch mit Hilfe von Kennzahlen und technischen Parametern die potentiellen Möglichkeiten eines energieflexiblen Systems seine Leistung vom Referenzbetrieb zu variieren. Dieses technische energieflexible System wird mit den Klassen „flexible Leistung“, „Energiespeicher“ und „Abhängigkeit“ modelliert. Über die Ausprägung der Kennzahlen der genannten Klassen werden die Freiheitsgrade der Energieflexibilität beschrieben und eingeschränkt. Damit werden die zulässigen Möglichkeiten des technischen Systems seine Leistung zu variieren als Flexibilitätsraum beschrieben. Neben den drei genannten Klassen zur Beschreibung des Flexibilitätsraums eines Systems, gibt es im EFDM auch die Klasse „Energieflexibilitätsmaßnahme“, die eine konkrete Leistungsänderung des Systems innerhalb seines Flexibilitätsraums beschreibt. Das EFDM besteht in Summe aus 42 Kennzahlen, zu denen beispielsweise die möglichen Leistungszustände, die nutzbare Speicherkapazität eines Speichers, Reaktionszeiten, Kosten oder die temporäre Gültigkeit zählen. Die Kennzahlen des EFDMs können je nach IT-Systemen und Digitalisierungsgrad der Fabrik manuell oder (halb-)automatisch bestimmt werden. Durch die generische Modellierung von Energieflexibilitäten ist das EFDM unabhängig von marktseitigen oder regulatorischen Änderungen und damit für das zukünftige Strom- und Marktsystem gerüstet.

Das EFDM wird mittels Services auf der Unternehmensplattform generiert und stellt die Grundlage für die Modellierung und Kommunikation von Energieflexibilität dar. Durch die Standardisierung ist eine durchgängige Kommunikation von der Anlage/Maschine über die Marktplattform bis zum (Flexibilitäts-)Markt möglich. Zudem können verschiedene Services der beiden Plattformen mit dem EFDM interagieren, um die Fertigung ohne Einschränkungen energieflexibel zu gestalten. Beispielsweise ist es mit dem Service „Flexibilitätseinsatzplanungstool“ auf der Marktplattform möglich, eine marktseitige Optimierung durchzuführen, um den Einsatz von Flexibilitäten zu optimieren. Das EFDM wird in der Praxis in verschiedenen Demonstratoren und der energieflexiblen Fabriken der Modellregion Augsburg erprobt und auf Herz und Nieren getestet.

Detailliert erläutert wird das Energieflexibilitätsdatenmodell im zugehörigen Diskussionspapier.

Abhängig vom Anwendungsfall sind verschiedene Services notwendig, die individuell zusammengestellt und verknüpft werden können. Erste Services für die Markt- und Unternehmensplattform wurden bereits konzipiert und entwickelt sowie über die Servicekataloge der beiden Plattformen bereitgestellt. Eine komplette Übersicht der Services kann für die Unternehmensplattform und die Marktplattform den entsprechenden Steckbriefen entnommen werden.

Je nach Komplexität des Anwendungsfalls muss auch die Komplexität der genutzten Services sowie deren Zusammenstellung angepasst werden. Dabei werden Services aus diversen Kategorien genutzt, um produzierenden Unternehmen den Handel von Energieflexibilität zu ermöglichen (siehe Abbildung):

  • Verwaltend (z.B. Management von Energieflexibilität im Unternehmen)
  • Planend (z.B. Berücksichtigung von Energieflexibilität bei der Produktionsplanung und –steuerung)
  • Optimierend (z.B. Einsatz einer Energieflexibilität auf dem idealen Markt)
  • Prognostizierend (z.B. Prognose von Strommarktpreisen)

Letztlich ermöglicht die Virtualisierung der Flexibilität, also die Abbildung über das Energieflexibilitätsdatenmodell und die anschließende Verarbeitung in Services, eine verteilte Automatisierung.

Die ETA-Fabrik ist eine Lern- und Forschungsfabrik am PTW der TU Darmstadt. Energieflexible Anlagen der Produktionsinfrastruktur wurden mittels des smarten Konnektors an die Unternehmensplattform angebunden. Diese Integration ermöglicht eine Interaktion mit diversen Optimierungsservices sowie die Vorbereitung der Vermarktung der Energieflexibilität.

Um den Einsatz der Unternehmensplattform in vollem Funktionsumfang an den realen Anlagen der ETA-Fabrik testen zu können, wurde eine Kommunikationsarchitektur etabliert, die alle bisher im Projekt entwickelten Komponenten beinhaltet. Damit ist es anschließend möglich, die funktionale Interaktion zwischen den Komponenten zu überprüfen.

Die Abbildung zeigt das Schema für die konkrete Umsetzung in der ETA-Fabrik. Auf der Feldebene werden die Zustandsdaten der Anlagen über das im Arbeitsgebiet Produktionsinfrastruktur entwickelte Energieflexibilitätsgateway oder bestehende Steuerungen der Gebäudeautomation aufgenommen und an den Smarten Konnektor gesendet. Die Übertragung von Sensordaten der Gebäudeautomation wurde über OPC UA realisiert, während die Daten des Energieflexibilitätsgateways über MQTT an den Smarten Konnektor verschickt werden. Der Smarte Konnektor arbeitet dabei auf einer gekapselten und extra gesicherten Umgebung am PTW in Darmstadt, um zu verhindern, dass Maschinen und Anlagen der ETA-Fabrik unkontrolliert von außerhalb gesteuert werden können. Ähnliche Bedenken können auch Industrieunternehmen bei der Integration von externen Optimierungsservices haben, weshalb dieses Problem explizit im SynErgie-Projekt adressiert wurde.

Hierbei wird ein schaltender Zugriff allerdings nicht kategorisch ausgeschlossen, sondern lediglich limitiert. So sind nur freigegebene Variablen überschreibbar und auch dieser Schreibzugang kann bei Bedarf unterbrochen werden. Für den externen Zugriff wurden Systemvariablen in der Gebäudeautomation der ETA-Fabrik angelegt, um die anlageninternen Sicherheitsfunktionen nicht außer Kraft zu setzen.
Auf dem Smarten Konnektor werden die Energieflexibilitätskennzahlen für die unterschiedlichen Use Cases der ETA-Fabrik berechnet. Hierfür wurde in enger Abstimmung mit dem Fraunhofer IPA eine Logik zur Berechnung einzelner Kennzahlen aus den Maschinendaten implementiert. Die Kennzahlen werden anschließend über eine Remoteverbindung an die Unternehmensplattform übertragen, wo anschließend eine Betriebsstrategieoptimierung erfolgen kann.

Das SynErgie-Schnell-Check-Tool ermöglicht es Interessenten aus der Industrie und der breiten Öffentlichkeit, Informationen über die Einsatzmöglichkeiten von Energieflexibilität und deren Erlösmöglichkeiten zu erfahren. Dabei fungiert das Schnell-Check-Tool als erste Anlaufstelle, um Informationen zu Vermarktungsmöglichkeiten von Energieflexibilität einfach verständlich zu erhalten.

Mit dem Schnell-Check-Tool zeigen die Forschenden an der Schnittstelle der Arbeitsbereiche „Informations- und Kommunikationstechnik“, „Markt- und Stromsystem“ und der „Modellregion Augsburg“ Einsatzmöglichkeiten von Energieflexibilität klar und einfach verständlich auf und ermöglichen damit Abschätzungen hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit des Energieflexibilitätseinsatzes. Somit können Interessierte (wie beispielsweise Unternehmen oder die breite Öffentlichkeit) erste Informationen beziehen und den Weg in die Flexibilitätsvermarktung – verbunden mit einer einhergehenden Reduzierung der Strombeschaffungskosten – erfolgreich beschreiten. Dazu werden die Einsatzmöglichkeiten von Energieflexibilität anhand der vier übergeordneten Bereiche Netzentgeltoptimierung, Lastverschiebung am Spotmarkt, Eigenerzeugung sowie Systemdienstleistung aufbereitet und um einzelne Tools für erste Abschätzungen erweitert.

Im weiteren Projektverlauf wird das Schnell-Check-Tool kontinuierlich mit Blick auf sich ändernde regulatorische Vorgaben aktualisiert sowie um weitere Informationen und Berechnungshilfen ergänzt. Sie können das Schnell-Check-Tool unter untenstehendem erreichen. Zusätzliche Informationen zur informationstechnischen Umsetzung einer energieflexiblen Fabrik erhalten Sie im Diskussionspapier zum Konzept der Energiesynchronisationsplattform.

Zugang zum Schnell-Check-Tool: https://schnell-check.synergie-projekt.de/