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Potenzial­analyse und systemische Betrachtung

Potenzialanalyse und systemische Betrachtung

In diesem Arbeitsgebiet wird untersucht, welchen Beitrag das industrielle Flexibilitätspotenzial sowohl auf regionaler als auch auf internationaler Ebene hinsichtlich technoökonomischer und ökologischer Wechselwirkungen leisten kann. Dies erfolgt auf Basis von Potenzialerhebungen und einer Hochrechnung für Deutschland. Mithilfe einer volkswirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Abschätzung können Potenziale von Lastflexibilisierung in der Industrie, welche in Zukunft genutzt werden, unter Berücksichtigung der Rangfolge der Flexibilitätsoptionen abgeschätzt werden. Schließlich werden mögliche CO2-Einsparungen bei Ausschöpfung der Potenziale hochgerechnet.

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Übersicht der Arbeiten des Arbeitsgebiets

Im Rahmen des ersten Arbeitspaketes wurden in vorhergehenden Arbeiten bereits umfangreiche Flexibilitätspotenziale und -perspektiven verschiedener Industriebranchen erhoben und auf Bundesebene abgeschätzt. Die Potenziale werden zum einen regelmäßig aktualisiert und zum anderen durch die Analyse weiterer Prozesse ergänzt. Dadurch kann die Quantifizierung des industriellen Flexibilitätspotenzials in Deutschland weiter verfeinert werden. Parallel dazu wird untersucht, wie bestehende Energieaudits nach DIN 16247 um eine Flexibilitätsanalyse erweitert werden können.

Im zweiten Arbeitspaket wird eine Methodik entwickelt, mit Hilfe derer erhobene Flexibilitätspotenziale über geeignete Kennzahlen geographisch und regional dargestellt werden können. Die Ergebnisse gehen insbesondere in die Analysen zum Marktdesign 2030-2050 des Arbeitsgebiets Markt- und Stromsystem ein. Zudem sollen die für die deutschen Standorte erhobenen Flexibilitätspotenziale auf andere Länder übertragen werden, um den Umfang der Flexibilitätspotenziale deutscher Industriebetriebe im internationalen Vergleich einzuordnen.

Im dritten Arbeitspaket werden Methoden zur Identifikation und technoökonomischen Charakterisierung von Einsatzoptionen für Flexibilitätsoptionen zur Stabilisierung des Stromnetzes erarbeitet. Ziel ist es, eine Rangfolge der Flexibilitätsoptionen in Bezug auf ihr Kosten-Nutzen-Verhältnis zu erstellen. Zusätzlich wird untersucht, welche Potenziale von Lastflexibilisierung in der Industrie in Zukunft genutzt werden und wie für die Zukunft ein Kosten-Nutzen-Verhältnis abgeschätzt werden kann.

Arbeitspaket vier beschäftigt sich mit der Analyse von Wechselwirkungen zwischen Flexibilität und CO2-Emissionen. In einem ersten Schritt werden hierzu die Auswirkungen einer Umsetzung von Treibhausgas-Verminderungsmaßnahmen auf die Energieflexibilität abgeleitet. Die Auswertungen basieren maßgeblich auf flexibilitätsdynamischen Simulationen des Sektormodells Industrie (SmInd). Abschließend findet eine Hochrechnung der möglichen CO2-Reduktion durch Ausschöpfen des Flexibilisierungspotenzials anhand unterschiedlicher Strommix-Szenarien statt.

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Arbeitsgebietsübergreifende Bedeutung der Flexibilitätspotenziale in SynErgie II

Ergebnisse

Die Anwendung unterschiedlicher Methoden sowie ein fehlendes übereinstimmendes Verständnis zentraler Potenzialbegriffe sorgte bisher dafür, dass Potenziale weder vergleichbar noch Rahmenbedingungen klar definiert waren. Die durchgeführte Metastudienanalyse zur Identifikation relevanter Aspekte bei der Potenzialermittlung trägt zu einer einheitlichen Definition und klaren Abgrenzung der unterschiedlichen Potenzialbegriffe bei.

Es existiert bereits eine Vielzahl an Studien, die entsprechende Potenziale verschiedener Branchen untersuchen. Allerdings werden hier teilweise erhebliche Streuungen bei den ausgewiesenen Potenzialen deutlich. Gründe hierfür sind die Anwendung unterschiedlicher Methoden sowie ein fehlendes übereinstimmendes Verständnis zentraler Potenzialbegriffe.
Ziel der Untersuchung war die Identifizierung relevanter Problemfelder im Kontext der Erhebung von Flexibilitätspotenzialen in der Industrie und die anschließende Entwicklung einer transparenten Methodik. Zu diesem Zweck wurden im Rahmen der Metastudienanalyse die verwendeten Methoden zur Potenzialerhebung von ca. 30 Studien analysiert. Darauf aufbauend wurden relevante Aspekte bestimmt, anhand derer die Methoden verglichen und Problemfelder identifiziert werden können. Die Metastudienanalyse ergab deutliche Unterschiede hinsichtlich der identifizierten Problemfelder.

Für eine einheitliche Definition wurden fünf relevante Potenzialbegriffe festgelegt. Die Abbildung zeigt, wie sich die einzelnen Potenziale aus Schnittmengen bzw. Teilmengen übergeordneter Potenziale ergeben. Ferner wurden diesen Begriffen jeweils Parameter zugeordnet, die für deren Ermittlung erhoben werden müssen. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die klare Unterscheidung zwischen Lastreduktion und -erhöhung. Die reine Ausweisung eines Potenzials zur Lastflexibilisierung ist nicht ausreichend, da Reduktion und Erhöhung der Last in der Regel nicht in gleichem Maße möglich sind.
Um eindeutig zwischen Flexibilitätspotenzialen, die bereits heute zur Verfügung stehen, und solchen, welche erst zukünftig gehoben werden können, abzugrenzen, wurden die Begriffe Flexibilitätspotenziale und Flexibilitätsperspektiven eingeführt. Letztere bezeichnen Potenziale, die erst durch technische Eingriffe am Prozess umgesetzt werden können. Hierbei ist zu beachten, dass alle fünf Potenzialbegriffe unabhängig vom Zeithorizont definiert sind und daher sowohl für heutige Potenziale als auch für zukünftige Perspektiven erhoben werden können.

Es wurden drei charakteristische energiewirtschaftliche Situationen für die Bereitstellung von Flexibilität – sogenannte Anforderungsprofile – entwickelt. Diese unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich Vorankündigungszeit und Abrufdauer und erleichtern so die systematische Erfassung entsprechender Flexibilitätspotenziale. Zusätzlich wurden für die ersten beiden Anforderungsprofile quantitative Analysen zu möglichen Einsätzen von Lastflexibilisierung und entsprechenden Erlöspotenzialen durchgeführt.

Die Höhe des industriellen Flexibilitätspotenzials wird durch die Vorankündigungszeit und Abrufdauer bestimmt. In ähnlicher Weise sind auch die Anforderungen des Energiesystems an Flexibilitätsoptionen und damit die Möglichkeiten zur Vermarktung vielfältig. Um die Flexibilitätspotenziale der einzelnen Prozesse und Branchen systematisch erfassen zu können, wurden daher drei charakteristische energiewirtschaftliche Situationen für die Bereitstellung von Flexibilität – Anforderungsprofile – definiert (siehe Abbildung):

  • Kurzzeitige Anpassung der Last mit einer Vorankündigungszeit und Abrufdauer von je 15 Minuten
  • Tag/Nacht-Ausgleich als Anpassung der Last über mehrere Stunden mit einer Vorankündigungszeit von einem Tag und einer Abrufdauer von 3-12 Stunden
  • Dunkelflaute bzw. Hellbrise als Anpassung der Last über mehrere Tage mit einer Vorankündigungszeit von 2-5 Tage und einer Abrufdauer von 1-5 Tage

Die Anforderungsprofile unterscheiden sich im Wesentlichen hinsichtlich Vorankündigungszeit und Abrufdauer.

Neben der systematischen Erfassung von Flexibilitätspotenzialen dienen die Anforderungsprofile auch als Unterstützung der Unternehmen bei der Erhebung der Flexibilitätspotenziale. Zu diesem Zweck wurde für jedes Profil zusätzlich ein Steckbrief erstellt, welcher Informationen zum energiewirtschaftlichen Hintergrund, zur heutigen und zukünftigen Bedeutung sowie zu einem möglichen Geschäftsmodell inklusive anschaulichem Beispiel enthält.

Die Anforderungsprofile wurden durch Interviews mit ausgewählten Aggregatoren validiert und dann in Zusammenarbeit mit einzelnen Industriepartnern angewandt. Primär wurden hierbei Fragen zur Vollständigkeit der Anforderungsprofile sowie ihrer Relevanz aus Aggregatoren- und Unternehmenssicht heute und in Zukunft beleuchtet.

Im Rahmen der Betrachtung von Flexibilitätsperspektiven für die Grundstoffindustrie wurde die Hybridisierung von Prozessen in der Grundstoffindustrie analysiert. Hierbei spielen der Konversionspfad von einer brennstoffbasierten hin zu einer hybriden Wärmebereitstellung sowie branchenübergreifende Hemmnisse einer Umsetzung von Hybridisierungsmaßnahmen eine zentrale Rolle. Unter dem Begriff der hybriden Wärmeerzeugung ist ein kombiniertes Wärmebereitstellungssystem zu verstehen, das entweder zwischen brennstoffbasierter und thermoelektrischer Wärmeerzeugung umschalten oder dessen Erzeugungsverhältnis flexibel verschieben kann. Folgende Abbildungen zeigen die Ergebnisse anhand des Beispiels der Papierherstellung.

Im Rahmen der Hybridisierung (von Prozessen in der Grundstoffindustrie) werden durch eine vorgelagerte Technologieanalyse Kriterien für den Einsatz elektrothermischer Erwärmungsverfahren evaluiert. Anschließend erfolgt unter Berücksichtigung der Erkenntnisse eine mehrstufige Branchen-, Prozess- und Hemmnisanalyse.

Die Recherche der zur Verfügung stehenden elektrothermischen Erwärmungsverfahren zeigt, dass je nach eingesetzter Technologie theoretisch alle in der Grundstoffindustrie benötigten Temperaturniveaus erreicht werden können.

Welche elektrische Erwärmungsmethode sich für die Hybridisierung bestimmter Prozesse eignet, ist von den individuellen Prozess- und Umgebungsbedingungen abhängig. Dabei spielt die Integrierbarkeit in die bestehende Prozessführung sowie die Regelbarkeit der konventionellen Erwärmung eine große Rolle. Für die betrachteten Brachen der Grundstoffindustrie ist dabei wichtig, dass durch die hybride Wärmebereitstellung keine Produktionsprobleme, wie zum Beispiel Qualitätsverluste oder Verzögerungen, auftreten.

Im Vergleich weiterer Industriezweige stellt branchenübergreifend der technoökonomsiche Aspekt ein Haupthemmnis dar, gefolgt von dem Risiko einer Beeinflussung der Produktqualität für Hybridisierungsmaßnahmen auf Prozessebene. Sowohl unzureichender Kenntnis-, Forschungs- als auch Entwicklungsstand für den Einsatz elektrothermischer Verfahren im Industriemaßstab begünstigen weiterhin den Einsatz konventioneller Technologien zur Prozesswärmebereitstellung. Ein weiteres Haupthemmnis ist im Bereich der derzeit unzureichenden elektrischen Infrastruktur für Bestandsanlagen zu sehen, die für eine deutliche Steigerung des elektrischen Leistungsbezugs bei einer hybriden Fahrweise nicht ausgelegt ist.