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Markt- und Stromsystem

Markt- und Stromsystem

Ziel dieses Arbeitsgebiets ist es, das aktuelle Strommarktdesign an ein stark volatiles Stromangebot anzupassen, die Vermarktung von Flexibilitäten weiterzuentwickeln und ein Marktdesign 2030 – 2050 zu entwerfen. Dabei sollen die relevanten Teilaspekte und Zusammenhänge im Stromsystem mithilfe von transdisziplinären Diskurs und unter Einbezug von regulatorischen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden.

FIM/FIT
Zusammenhänge und Teilaspekte bei der Untersuchung des Energiesystems

Durch einen stetig ansteigenden Anteil erneuerbarer Energien im Zuge der Energiewende gerät das aktuelle Strommarktdesign – welches in Zeiten vorwiegend konventioneller Großkraftwerke gestaltet wurde – zunehmend an seine Grenzen. Dies zeigt sich zum Beispiel am Einspeisemanagement, bei welchem ein beträchtlicher Anteil erneuerbarer Stromproduktion auf Grund von Leitungsengpässen nicht genutzt werden kann. In drei Teilprojekten werden Antworten auf diese Situation erarbeitet.

Das erste Teilprojekt hat zum Ziel, eine Kopernikus-übergreifende Definition und Beschreibung eines Zielbilds der Energiewende mit entsprechenden Szenarien zu erarbeiten. Im Rahmen einer Kopernikus-Arbeitsgruppe zu regulatorischen Rahmenbedingungen werden gemeinsame Handlungsempfehlungen an die Politik gesammelt, diskutiert und entsprechend kommuniziert. Ein transdisziplinärer Diskurs unter Wissenschaftlern sowie Unternehmen unterschiedlicher Branchen ist dabei unerlässlich.

Das zweite Teilprojekt widmet sich der evolutionären Weiterentwicklung des bestehenden Markt- und Stromsystems. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, durch welche Anpassungen des bestehenden Systems eine Hebung des technischen Nachfrageflexibilitätspotenzials industrieller Verbraucher verstärkt erreicht werden kann. Der Fokus liegt dabei unter anderem auf der Entwicklung von Werkzeugen für die Bewertung von Möglichkeiten zur Vermarktung von Nachfrageflexibilität. Zudem erfolgt die (Weiter-)Entwicklung lokaler Vermarktungsmöglichkeiten für industrielle Nachfrageflexibilität sowie eine Analyse und Bewertung des Rechtsrahmens für eine entsprechende Vermarktung. Schließlich werden Versicherungsprodukte für Flexibilitätsanbieter zur Absicherung gegen Risiken, welche mit der Flexibilitätsbereitstellung einhergehen, erarbeitet.

Das dritte Teilprojekt arbeitet komplementär zum zweiten Teilprojekt und beschäftigt sich mit einer fundamentalen Neugestaltung des Marktdesigns 2030 – 2050. Unter Berücksichtigung des Zielbilds und der Szenarien aus dem ersten Teilprojekt werden grundlegende Marktdesigns unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile für das zukünftige deutsche Energiesystem erarbeitet und analysiert. Zudem erfolgt eine Bewertung der Marktdesigns hinsichtlich ihrer Eignung für die verbesserte Hebung des technischen Nachfrageflexibilitätspotenzials. Hierbei werden auch Möglichkeiten durch potentiell disruptive Technologien, wie beispielsweise die Blockchain-Technologie und künstliche Intelligenz, miteinbezogen. Durch die Beschreibung von Transformationspfaden zur Erreichung eines zukünftigen Zielmarktdesigns 2030 – 2050 wird das dritte Teilprojekt abgerundet.

FIM/FIT
Notwendigkeit für eine tiefgreifende Reformierung der Energiemärkte zur Erreichung der Energiewendeziele

Ergebnisse

Zukünftig bedarf es eines Strommarktdesigns, das Netzrestriktionen und Flexibilitätspotentiale – insbesondere auf der Nachfrageseite – berücksichtigt.

Damit Unternehmen das Stromnetz durch energieflexible Technologien entlasten und dadurch die Kosten für den Netzausbau und den Netzbetrieb sinken können, muss die strikte Trennung von Markt und Netz in Zeiten eines ansteigenden Anteils Erneuerbarer Energien aufgehoben werden. Vielmehr bedarf es eines Marktdesigns, das Netzrestriktionen und Flexibilitätspotentiale – insbesondere auf der Nachfrageseite – berücksichtigt. Im Rahmen dreier SynErgie Whitepaper erarbeiteten renommierte Forschungseinrichtungen zusammen mit internationalen Wissenschaftler*innen und Expert*innen aus der energiewirtschaftlichen Praxis eine gemeinsame Zielrichtung, wie Strommärkte im Hinblick auf ein zukünftiges Stromsystem gestaltet werden sollten.

Das SynErgie Whitepaper Electricity Spot Market Design 2030-2050 plädiert für ein Stromsystem, das regional differenzierte, nodale Strompreise erlaubt. Der Übergang hin zu nodalen Strompreisen sollte dabei nach Möglichkeit in einem großen Schritt erfolgen, um möglichen Pfadabhängigkeiten sowie politischen Unsicherheiten vorzubeugen.

Das SynErgie Whitepaper Electricity Market Design 2030-2050: Moving Towards Implementation konkretisiert diese Überlegungen. Eine Einführung von nodalen Strompreisen in Deutschland erfordert eine gründliche und ganzheitliche Diskussion der detaillierten Ausgestaltungsoptionen und politischen Instrumente. Das Whitepaper beleuchtet dabei wesentliche ökonomische, regulatorische und technologische Aspekte und enthält erste Leitlinien für eine Umsetzung von nodalen Strompreisen in Deutschland.

Das SynErgie Whitepaper Electricity Market Design 2030-2050: Shaping Future Electricity Markets for a Climate-Neutral Europe, welches gemeinsam mit Partner*innen des europäischen Großprojektes OneNet sowie weiteren internationalen Strommarkt-Expert*innen erarbeitet wurde, überführt die Ergebnisse aus den vorausgehenden Whitepapern in einen gesamteuropäischen Kontext. Das Whitepaper geht dabei der Frage nach, wie verschiedene Marktdesignoptionen im europäischen Verbundsystem zusammenwirken und wie der Übergang eines Landes oder mehrerer Länder in ein nodales Preissystem auf europäischer Ebene erfolgreich gestaltet werden kann. Insgesamt scheint ein Übergang einzelner Länder in ein nodales Preissystem möglich und sinnvoll, wobei eine (vorübergehende) Ko-Existenz verschiedener Marktdesigns in der EU mittels entsprechender Ansätze erfolgreich gemangt werden kann. Zudem könnte bereits jetzt ein sogenannter „Schatten-Solver“ eingesetzt werden, um parallel zur heutigen zonalen Markträumung wichtige Erkenntnisse über die konkreten Auswirkungen eines knotenscharfen Preissystems in Europa zu gewinnen.

Es wurde ein Positionspapier mit politischen Handlungsempfehlungen in Abstimmung mit den Kopernikus-Schwesterprojekten hinsichtlich notwendiger regulatorischer Änderungen erarbeitet und an die Politik kommuniziert, welche zentrale Hindernisse für Unternehmen bei der Flexibilitätsvermarktung beseitigen sollen.

Um das Flexibilitätspotenzial der Industrie nutzen zu können, sind regulatorische Änderungen unumgänglich. So wird die Bereitstellung von Energieflexibilität durch die aktuelle Gesetzgebung in vielen Fällen eher bestraft als belohnt.

Die erarbeiteten politischen Handlungsempfehlungen führen notwendige Änderungsbedarfe durch den Gesetzgeber auf. Dazu unterbreiteten wir konkrete Vorschläge, an welchen Stellen regulatorische Änderungen durch welchen Adressaten vorgenommen werden sollten. Die aktuelle Netzentgeltregelung sollte beispielsweise dahingehend geändert werden, dass mögliche Spitzenlasten, die durch die Bereitstellung von Flexibilität auftreten können, keine Erhöhung der Netzentgelte für flexible Verbraucher zur Folge haben. Ein weiteres Beispiel für Handlungsempfehlungen betrifft den Nachweis von kontinuierlicher Steigerung der Energieeffizienz. Dabei sollten die möglichen Wechselwirkungen zwischen Energieeffizienz und Energieflexibilität beispielsweise bei Energieaudits berücksichtigt werden, sodass flexible Unternehmen nicht bestraft werden.

Als Veranschaulichung der flexibilitätshemmenden Wirkung der aktuellen Netzentgeltverordnung, zeigt ein Demonstrator auf, welch ökologischer und finanzieller Schaden bei einem Beispielprozess aus der Praxis durch die StromNEV (insb. §17.2.2 & §19.2.2)  entsteht.

Den Demonstrator haben das Kernkompetenzzentrum Finanz- & Informationsmanagement, die Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer FIT und UPM gemeinsam erarbeitet. Im Demonstrator wird anschaulich und verständlich anhand eines Beispielprozesses von UPM dargestellt, wie die aktuelle Netzentgeltverordnung (insb. §17.2.2 & §19.2.2 der StromNEV) das Flexibilitätspotenzial einschränkt und welche finanziellen und ökologischen Folgen daraus für UPM und das gesamte Energiesystem entstehen. Außerdem wird im Demonstrator gezeigt, wie durch die Investition in eine neue Schleifer-Technologie an einem Standort von UPM der sehr seltene Fall eintritt, dass sich Energieeffizienz und Energieflexibilität zugleich verbessern und daraus eine erhebliche CO2-Minderung resultiert.

Energieflexibilisierung gilt als einer der Schlüsselbausteine einer erfolgreichen Energiewende: weil Wind und Sonne nur schwankend Energie in form von Strom liefern, kann die Industrie einspringen, um durch eine Anpassung der Nachfrage das erforderliche Gleichgewicht zwischen Erzeugung und Nachfrage herzustellen und dadurch das Stromnetz zu stabilisieren. Strom aus Wind und Sonne ist relativ günstig und so sind Strompreise in Zeiten hoher erneuerbarer Einspeisung niedrig. Insbesondere für energieintensive Unternehmen ergeben sich daraus finanzielle Erlösmöglichkeiten und es werden weniger klimawirksame Emissionen verursacht. Nutzt ein Unternehmen wie UPM nun die Flexibilität energieintensiver Produktionsprozesse, um auf Preissignale am Markt zu reagieren, entstehen zeitgleich finanzielle und ökologische Einsparungen.

Die aktuelle Netzentgeltverordnung kann den Einsatz von Energieflexibilität jedoch bestrafen. Wird die Last eines flexiblen Prozesses in Zeiten mit hoher Erzeugung erneuerbarer Energien verschoben, kann eine neue Lastspitze entstehen. Diese Lastspitze können zu einem signifikant höheren Netzentgelt führen, das vom jeweiligen Unternehmen zu zahlen ist. Netzentgelte erhöhen sich dadurch in bestimmten Fällen sogar um das 5-Fache. Im Rahmen des Positionspapiers zu regulatorischen Änderungsbedarfen fordert SynErgie somit eine Anpassung der aktuellen Netzentgeltverordnung, um das Flexibilitätspotenzial der Industrie voll nutzen zu können.

Zum Video: https://www.youtube.com/watch?v=bxgbPitP0Z4

 

 

 

Damit es den Unternehmen möglich wird, Nachfrageflexibilität bestmöglich zu vermarkten, wurde ein Flexibilitätseinsatzplanungstool entwickelt, welches einen energiekostenminimalen Einsatz von Nachfrageflexibilität an unterschiedlichen Märkten ermöglicht.

Damit es den Unternehmen möglich wird, Energieflexibilität bestmöglich zu vermarkten, wurde das Flexibilitätseinsatzplanungstool entwickelt. Es hat zum Ziel, aus verschiedenen Energieflexibilitätsoptionen die Energieflexibilität auszuwählen, mit der die größten Erlöse bzw. ein kostenminimaler Einsatz erreicht werden können. Die Berechnung berücksichtigt dabei verschiedene Energiemärkte.

Unternehmen stehen bei der Vermarktung von Energieflexibilität vor einem komplexen Entscheidungsproblem. Bei einer Vielzahl an Märkten und Produkten verbunden mit Preisunsicherheiten ist es nahezu unmöglich, ohne ein entsprechendes Entscheidungsunterstützungssystem schnelle und valide Aussagen über die Wirtschaftlichkeit von Energieflexibilitätsmaßnahmen zu treffen.

Das Flexibilitätseinsatzplanungstool, welches über die Marktplattform zur Verfügung gestellt wird, hilft Unternehmen dabei, den für sie besten Zeitpunkt und den besten Energiemarkt für den Einsatz ihrer Energieflexibilität zu finden und somit die wirtschaftlichen Ertragsmöglichkeiten zu erhöhen. Dazu wird mithilfe eines Optimierungsmodelles der Energieflexibilitätseinsatz auf die schwankenden Strompreise an den Spot- und Systemdienstleistungsmärkten ausgerichtet. Dies hilft den Unternehmen insbesondere dabei, Aussagen zu treffen, welche Investitionen in Energieflexibilität langfristig rentabel sind. Die Grundlage hierfür bildet die Modellierung der Energieflexibilität im Energieflexibilitätsdatenmodell.

Bei der Entwicklung des Flexibilitätseinsatzplanungstools fand ein enger Austausch mit dem Arbeitsgebiet Informations- und Kommunikationstechnik statt.

Das Energieflexibilitätseinsatzplanungstool kann unter folgender Webseite aufgerufen werden: https://flextool.sng.cell.vfk.fraunhofer.de

Als weiteres Werkzeug wurde ein Rahmenwerk für Geschäftsmodelle entwickelt, welches alle notwendigen Voraussetzungen und Bestandteile der Flexibilitätsvermarktung systematisch aufgezeigt. Dieses Rahmenwerk soll Unternehmen dabei unterstützen, Projekte zur energetischen Flexibilisierung der Produktion zu planen.

Das entwickelte Rahmenwerk soll Unternehmen bei der Planung und Einführung von Prozessen zur Vermarktung von Nachfrageflexibilität unterstützen. Dazu werden neun Dimensionen (siehe Abbildung) und deren Ausprägungen eines generischen Geschäftsmodells für Nachfrageflexibilität aufgezeigt, wodurch Transparenz hinsichtlich der notwendigen Aktivitäten und Ressourcen für die Befähigung sowie die Umsetzung von Nachfrageflexibilität geschaffen werden.

Die Ergebnisse wurden mithilfe des etablierten Business Model Canvas erarbeitet. Dadurch werden Unternehmen, die sich bislang noch nicht mit Nachfrageflexibilität auseinandersetzen, bei einer entsprechenden Einführung unterstützt und somit werden Einstiegsbarrieren insgesamt reduziert. Alle Details zum Vorgehen und zu den Ergebnissen sind im veröffentlichen Artikel unter folgendem Link abrufbar.